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Bruno Blum

Liebeserklärung an meine Diva

heute Abend habe ich wieder mal erlebt, was für eine Diva meine Schoggi ist. Aber ich liebe sie trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen... Wenn meine Schoggi bei den Kund/innen ist, dann zeigt sie natürlich nichts von ihrer Divenhaftigkeit. Dann lächelt sie, strahlt in schönstem Glanz, gibt bei jedem Abbrechen eines Stückchens ein artiges «Klack» von sich und schmilzt dann im Mund langsam und hingebungsvoll dem vollen Genuss zu... Bei mir in der Schoggi-Werkstatt ist sie aber ganz anders. Hier zeigt sie ihr wahres Ich. Sie lässt ihre Launen an mir aus. Und glauben sie mir: diese Launen und Befindlichkeiten wechseln ständig. So wie heute Abend wieder... Zugegeben, das Schöne an meiner Schoggi ist ihre Verlässlichkeit: wenn ich die Rezeptur und alle Herstellungs-Prozesse penibel einhalte, dann kann ich mich 100%ig auf sie verlassen. Dann ist ihr Geschmack, ihr Geruch, ihre Farbe, Ihr Glanz und ihre Konsistenz verlässlich wunderbar. Aber sobald es an das Giessen der Tafeln geht, ist es vorbei mit Friede, Freude, Eierkuchen. Dann wird sie gnadenlos zur Diva und erwartet von mir kompromisslos, dass ich voll auf ihre Befindlichkeit eingehe. Im Sommer war es ihr mal zu heiss und ich musste dafür sorgen, dass die Temperaturen in der Schoggi-Werkstatt etwas kühler wurden. War es etwas kühler, dann hatte sie Probleme mit der Luftfeuchtigkeit. Stimmte beides, dann war garantiert Vollmond und sie reagierte bei nächtlicher Produktion promt auch darauf... Heute Abend war weder Sommer, noch war es zu heiss, noch stimmte die Luftfeuchtigkeit nicht. Nein, heute hat sie festgestellt, dass es Herbst geworden ist: es war ihr plötzlich zu kalt. Und sie verlangte von mir, dass ich auf den Estrich stieg, das Heizöfeli runterholte und die Temperatur in der Schoggi-Werkstatt ein paar wenige Grade erwärmte. Was ich natürlich machte – denn wenn man(n) jemanden liebt, so wie ich meine Schoggi, dann tut man natürlich alles, damit die Geliebte sich wohlfühlt... Denn wenn sie sich nicht wohlfühlt, dann weigert sie sich einfach,

in der Giessform schön zu verlaufen. Und dann bildet sie wütende Luftbläschen und verlangt von mir, dass ich die Giessform statt nur kurz dann minutenlang auf dem Tisch klopfe, bis sie sich endlich zufrieden in der Form hingibt und als flüssige Tafel zu strahlen beginnt... Und weil ich keinen Tag nie genau weiss, in welcher Laune sich meine Diva befindet, lasse ich die kleinen Lufteinschlüsse vom Giessen nicht automatisch – wie die meisten anderen Schokoladen-Hersteller – vom Rütteltisch am Schoggibrunnen rausrütteln, sondern klopfe jede Form einzeln von Hand. Mal länger, mal weniger lang. Halt einfach genau so lange, bis mir die flüssigen Tafeln sagen: «Danke, lieber Bruno, jetzt ist gut, jetzt sind wir bereit in die Kühlung zu gehen.» Das ist zwar mühsamer, als automatisches und zeitlich definiertes «Rütteln» – aber es gibt mir die Gewähr, dass jede einzelne Tafel genau die Behandlung und «Zuneigung» bekommt, die sie in ihrer jeweiligen Befindlichkeit gerade braucht, um sich dann als fertige Tafel von ihrer besten Schoggi-Seite zu zeigen. Manchmal bringt sie mich schier zur Verzweiflung, meine Diva – so wie heute Abend. Aber ich liebe sie trotzdem. Oder gerade deswegen. Weil sie keine konforme, angepasste auf immer Gleichsein getrimmte Masse ist. Sondern ein lebendiges Wesen mit eigenem Charakter. So wie du und ich...«-)

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